Rechtsfahrgebot demnächst auch in der Hollerstraße (B 203) in Büdelsdorf PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: TF   
Freitag, den 23. Dezember 2022 um 01:05 Uhr

Beiträge im Blog geben nicht zwingend die Meinung der Ortsgruppe oder allgemein des ADFC wieder. In diesem Beitrag kommentiert unser Verkehrsrechtlicher Sprecher Torben Frank die Änderungen bei der Beschilderung der Radwege in der Ortsdurchfahrt der B 203 durch Büdelsdorf.

Mir wurde ein Artikel der Büdelsdorfer Rundschau zugesandt. In diesem wird darüber berichtet, dass bald nur noch der jeweils rechte Radweg der Hollerstraße (B 203) in Büdelsdorf verwandt werden dürfe. Für die Brückenstraße werde der status quo aufrecht erhalten. Mit diesem Beitrag will ich aufzeigen, warum das teilweise gute Entscheidungen sind, welchen Mehrwert das für den Radverkehr bietet. Zum Schluß werde ich darauf eingehen, warum Radfahrende, aber auch zu Fuss Gehende gute Aussichten haben, gegen die Neuanordnung der Benutzungspflichten vorzugehen.

Das Rechtsfahrgebot aus § 2 StVO bezieht sich auch auf die Wahl des in Fahrtrichtung rechten Radwegs. Das hohe Unfallrisiko von Geisterradlern, wie die Benutzer linker Radwege bezeichnet werden, spricht auch für die Benutzung des rechten Radwegs, wenn es der Radweg sein muss. Es lohnt sich, mal die älteren Pressemeldungen der Polizei zu den Unfällen zu sichten. Im Unfallatlas des Statistikportal des Bundes und der Länder sind die Ortsdurchfahrten der B 203 durch den Raum Rendsburg mit vielen Unfallpunkten versehen. Bisher stehen sowohl in Fahrtrichtung rechts als auch links Zeichen 241 bzw. 240 StVO. Solche Anordnungen sind grob rechtswidrig. Nach Ansicht des Fachbereichsleiters im Bundesverkehrsministeriums ist die Anordnung auch nichtig (Das Schreiben zu einem vergleichbaren Fall liegt dem Autor vor). Unter der Randnummer 33 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 2 Abs. 4 StVO ist folgender Satz aufschlussreich, was die Ermessesausübung betrifft:

Die Benutzung von in Fahrtrichtung links angelegten Radwegen in Gegenrichtung ist insbesondere innerhalb geschlossener Ortschaften mit besonderen Gefahren verbunden und soll deshalb grundsätzlich nicht angeordnet werden.

Der Verordnungsgeber weist also auf das sehr hohe Unfallrisiko auf linken Radwegen hin. Im Prinzip kann es innerorts Zweirichtungsradwege nur dort geben, wo die klassischen Unfallrisiken auf Radwegen wegfallen. Ein mindestens 2,4 m breiter Hochbordradweg neben einem ausreichend breiten Gehweg mit klarer baulicher Trennung wäre geeignet, wenn es keine Einmündungen oder Ausfahrten gibt. Wenn die einzigen Einmündungen mit konfliktfrei geschalteten geschalteten Lichtsignalanlagen (LSA, Ampeln) geregelt sind, kann auch innerorts ein Zweirichtungsradweg funktionieren. Aber die Hollerstraße (B 203) hat massenweise Einmündungen und Ausfahrten, und schon gar keine ausreichend breiten Straßenteile für Zweirichtungsradwege.

Östlicher Abschnitt der Hollerstraße

Zwischen Ortseingang aus Richtung Eckernförde und Ulmenstraße gibt es keine ordentlichen Radverkehrsanlagen. Trotz dem hohen Fussverkehrsaufkommen ist auf dafür ungeeigneten Gehwegen mit Zeichen 240 StVO eine Benutzungspflicht auf gemeinsamen Fuss- und Radwegen angeordnet. Gemeinsame Fuss- und Radwege sollen innerorts die Ausnahme von der Ausnahme Radwegebenutzungspflicht darstellen. Sie sind nur dort zulässig, wo es kaum Fuss- und kaum Radverkehr gibt. In den RASt, den EFA und ERA der FGSV gibt es entsprechende Entscheidungskriterien. Mit 1,6 bis 1,8 m sind die vorhandenen Gehwege schon für gemeinsame Fuss- und Radwege als Einrichtungsradwege zu schmal. Das Mindestmaß nach ERA inklusive Sicherheitstrennstreifen sieht innerorts mindestens 3 m vor. Sogar die konservativere VwV-StVO zu § 2 Abs. 4 sieht in Randnummer 20 mindestens 2,5 m Breite vor.
Rechtlich ist die Führung des Radverkehrs in der östlichen Hollerstraße auf der Fahrbahn eigentlich unvermeidbar, weil es keine geeigneten Straßenteile gibt. Ob das Radfahren im stop and go "mitten auf der Straße" erstrebenswert ist, spielt rechtlich keine Rolle. Fakt ist, dass es mangels geeigneten Straßenteils geboten ist, das mildeste Mittel zu wählen. Angesichts des hohen Unfallrisikos auf den gemeinsamen Fuss- und Radwegen ist die Abweichung vom Mindeststandard, welche das Bundesverwaltungsgericht 2013 im Ausnahmefall zuließ, nicht statthaft. Die Straßenverkehrsbehörde dürfte nur den unzumutbaren Straßenteil verwenden, wenn das Radfahren dort nachweislich sicherer als auf der Fahrbahn ist. Mit Blick auf die Veloroute (RadStark!) besteht dort dringend Handlungsbedarf. Wegen des Mittelsstreifens aus den 1980ern gibt es im Straßenquerschnitt auch einen gewissen Gestaltungsspielraum. So wie es ist, kann und darf es nicht bleiben.

Mittlerer Abschnitt der Hollerstraße

Zwischen Ulmen- respektive Berliner Straße und Einmündung der westlichen Hollerstraße am Käthe-Ahlmann-Platz finden wir Hochbordradwege neben Gehwegen vor. Mit Zeichen 251 StVO ist ein Fahrtrichtung rechts als auch links derzeit grob rechtswidrig eine Benutzungspflicht der unzumutbaren Straßenteile angeordnet. Was zumutbar ist, kann übrigens der VwV-StVO zu § 2 Abs. 4 entnommen werden. Abschnittsweise gibt es über Grünflächen klare Trennung vom Gehweg. Aber ausgereichnet im problematischen Bereich mit viel Fussverkehr zwischen Parkallee und Berliner Straße gibt es keine deutliche bauliche Trennung. Der Gehweg ist schmal, der Radweg ebenso, Konflikte sind vorprogrammiert. Ein Blick in den Unfallatlas bestätigt die Unfallrisiken. Die Ampeln sind autogerecht geschaltet, es gibt keine ordentlichen Fahrradampeln, sondern der Radverkehr wird unzulässig über eine gemeinsame Streuscheibe mit dem Fussverkehr benachteiligt. Der LBV SH läßt Radfahrende zum Teil fast 1 min in einem Durchlauf länger stehen als den übrigen Fahrzeugverkehr auf der Fahrbahn. Das gleichberechtigte Fahrzeug Fahrrad wird vorsätzlich durch Nichtbeachtung von Richtlinien und Empfehlungen benachteiligt. Und dabei gibt es auch noch Gefährdungen, weil die vorranberechtigt Radfahrenden gleichzeitig mit Abbiegewilligen Grün haben, der radwegetypische Abbiegeunfall ist der Standard. Am gefährlichsten sind aber die Ausfahrten der Tankstellen mit ihren zum Teil miesen Sichtbeziehungen. In den Spitzenzeiten stehen ohnehin von Ausfahrten kommende Kfz-Führer auf dem Radweg. Die Konfliktzone vor der Ladenzeile ist allgemein bekannt. Wer ortskundig ist, umfährt den Bereich.
Die Radwege sind mit 1,4 bis 1,6 m für das Radverkehrsaufkommen schon als Einrichtungsradwege zu schmal. Die konservative VwV-StVO sieht in Randnummer 21 mindestens 1,5 m vor. Das gilt bei geringem Radverkehrsaufkommen. Die ERA 2010 fordern mindestens 1,6 m plus 0,25 Sicherheitstrennstreifen zur Fahrbahn vor. Zu allem Überfluß gibt es Einwuchs oder auch Einbauten im Lichtraumprofil.
Es st fraglich, ob sich eine Benutzungspflicht angesichts der hohen Unfallrisiken in diesem Bereich rechtfertigen läßt. Auch als Einrchtungsradweg sind die Hochbordradwege unzumutbar. Die Belange des Fussverkehrs werden auch nicht berücksichtigt.

Bückenstraße

Auch wenn die Gehwege leider recht schmal ausfallen, erfüllen die Hochbordradwege der Brückenstraße die Standard für Einrichtungsradwege. Angesichts der Tatsache, dass es Höhe Holler-West, Am Ahlmankai sowie am Thormannplatz sowie eine Überführung vom Schwarzen Stieg zur Obereider gibt, ist unverständlich, wieso die linksseitige Nutzung möglich bleiben soll. Es ist fraglich, ob die Breite der Hochbordradwege ausreicht. Angesichts der Netzbedeutung müßten wir schon beim Einrichtungsradweg mehr als 2 m voraussetzen, damit Gespanne und Lastenräder sich gefahrlos überholen können. Beim Begegnungsverkehr ist mehr Raum nötig. Der Randnummer 37 der VwV-StVO zu § 2 Abs. 4 können wir 2,4 m als Regelmaß für Zweirichtungsradwege entnehmen, mindestens jedoch 2 m. Nun erfordert die Netzbedeutung jedoch mehr Raum. Außerdem dürfen wir neuere Richtlinien und Regelwerke heranziehen.
Falls die Breite ausreichend sein sollte, müßte noch an den Ampelschaltungen gearbeitet werden. Es fehlen Fahrradampeln. Die Gleichschaltung von Rad- und Fussverkehr mit gemeinsamer Streuscheibe bei getrennter Führung ist auf benutzungspflichtigen Radwegen unzulässig. Auch müssen die Ampeln konfliktfrei geschaltert werden, um das hohe Unfallrisiko linksseitiger Radwege abzumildern. Weiterer Konfliktpunkt sind die Bushaltestellen.
Der Autor würde es präferieren, wenn von den 4 Spuren der Fahrbahn 2 für geschützte Radfahrstreifen umgewidmet würden. Die Hochbordradwege könnten dann dem Fussverkehr zugute kommen. Dann hätte Fussverkehr endlich den ihm zustehenden Raum.
Randbemerkung: Die Radverkehrsführung Am Ahlmannkai gehört auf beiden Seiten auf den Prüfstand. Das wirkt recht willkürlich.

Fazit

Überfällig! Geisterradeln ist lästig, gefährdend und gefährlich. Es wird endlich Bundesrecht umgesetzt. Die Bestandsradwege der Ortsdurchfahrt der B 203 erfüllen weitestgehend nicht einmal die Zumutbarkeit von Einrichtungsradwegen. Es gibt zu Hauf Querungsmöglichkeiten. Und wer z.B. von Am Friedrichsbrunnen zu NETTO will, kann auch das direkte Linksabbiegen nach § 9 StVO praktizieren. Dazu bleibt der Radfahrende auf der Fahrbahn, zeit seine Linksabbiegeabsicht an und ordnet sich auf dem Linksabbiegestreifen ein. Wer sich das nicht traut, muss eben das indirekte Linksabbiegen über die Ampeln praktizieren. Ampeln, die müssten längst modernen Erfordernissen angepaßt werden. Das haben LBV SH, Kreis und Stadt Büdelsdorf bisher verpennt.

Zuletzt aktualisiert am Samstag, den 24. Dezember 2022 um 01:05 Uhr
 

© ADFC 2010