Hier versuchen wir, Fragen, die uns im täglichen Miteinander mit dem Fahrrad auf den Straßen in Rendsburg und Umgebung wiederholt gestellt wurden, zu beantworten. Wir versuchen die Hinweise, die wir geben, durch fundierte Quellen zu belegen. Diese Hinweise können aber bei Streitfällen keine juristische Beratung durch einen Rechtsanwalt ersetzen.

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Bodo Schnoor (BS)



Was hat es mit der Bußgeldhöhe auf sich? PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: TF   
Dienstag, den 02. Februar 2021 um 14:12 Uhr

(TF) Eine beliebte Stammtischparole ist es, dass die Bußgelder für Radfahrende so niedrig wären, weil Radfahrende weniger Geld hätten. Fakt ist jedoch, dass sich der Bußgeldsatz im Idealfall an der Gefährlichkeit des Fehlverhaltens orientiert. Während für Fahren ohne Licht 20 € anfallen, wird das gefährliche Gehwegradeln mit ab 55 € geahndet. Vom Automobil mit höherer Geschwindigkeit und vor allem größerer Masse geht ein höheres Betriebsrisiko aus. Zu Fuß Gehende haben niedrigere sätze als radfahrende, weil vom Fahrrad wegen der höheren Geschwindigkeit und anderen Faktoren ein höheres Betriebsrisiko ausgeht.
Für die Nichtbenutzung eines beschilderten, also benutzungspflichtigen Radweges fallen nur ab 20 € an, vorausgesetzt der Radweg wurde rechtskonform beschildert und der Beschuldigte nimmt es hin. Der Satz ist so niedrig, auch weil das Risiko eines Unfalles im Längsverkehr sehr gering ist. Außerdem dürfen BBenutzungspflichten nur dort angeordnet werden, wo es für die Sicherheit erforderlich ist. Das bedeutet meist, dass der Beschuldigte ein höheres Risiko auf der Fahrbahn als auuf dem Radweg hatte. Er hätte vorrangig sich selbst gefährdet. Die Durchsetzung dieses Tatbestandes ist aber nur dann sinnreich, wenn die Benutzungspflichten nach den rechtlichen Vorgaben angeordnet würden, und nicht wie im Raum Rendsburg noch willkürlich gestreute Verkehrszeichen herumstünden. Außerdem gibt es Gerichtsurteile, welche den beschuldigten Radfahrenden entlasteten. Dieses Beispiel sei erwähnt, weil es zeigt, dass die qualifizierte Stellungnahme im Anhörungsbogen zum Verwarnungsgeldangebot oder die Prüfung eines Widerspruchs gegen einen Bußgeldbescheid mit Erfolgsaussicht verbunden sein können.

Wieso fällt das Verwarnungs- oder Bußgeld manchmal höher aus?

Die Höhe des Bußgeldes kann erhöht werden. Wird das Vergehen mit Vorsatz begangen oder wird dieser unterstellt, gibt es einen Aufschlag. Eine "Gefährdung" liegt vor, wenn das Fehlverhalten zum Unfall führte. Wer auf dem Gehweg die Seniorin umfährt, fallen folglich nicht 55 €, sondern 80 € allein für das unfallursächliche Fehlverhalten an. Dazu kommen noch die weiteren Kosten für den Unfallverursacher. Eine weitere Ergänzung des Tatvorwurfs kann die "Behinderung" sein. Diese ist allerdings enger gefaßt, als es scheint. Etwa bei der Nichtbenutzung eines benutzungspflichtigen Radweges schlägt die Polizei Rendsburg immer wieder "mit Behinderung". Doch besteht in der Notwendigkeit des Überholens noch keine Behinderung, insbesondere dann, wenn die fahrzeugtypische Geschwindigkeit gefahren wird. Das MoFa mit maximal 25 km/h wird auch subjektiv als Behinderung wahrgenommen, ist es aber rechtlich nicht. Gerade wegen der fahrradfeindlichen Einstellung vieler Polizeibeamt*Innen lohnt sich in vielen Fällen die Prüfung der Tatvorwürfe.

Wie laufen Kontrolle und läuft das Bußgeldverfahren ab?

Privatpersonen können zwar eine Anzeige wegen einer Ordnungswidrigkeit erstatten. Aber die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten fällt unter die Zuständigkeit der Exekutive. Für diese gilt das opportunitätsprinzip. Deswegen können Anwohner einer Straße ohne Sanktionsrisiko ihre Kraftfahrzeuge verbotswidrig auf dem Gehweg parken, in zweiter Reihe im Wendehammer oder im ausgeschilderten Parkverbot. Für den ruhenden Verkehr ist die Stadt oder Kommune zuständig, für die übrigen Dinge im Verkehr der Kreis. Die Direktionen der Polizei haben auch entsprechende Stellen. Die Erläuterung bezieht nur sich auf das Bundesland Schleswig-Holstein.
Während das Sanktionsrisiko für Kfz-Führer relativ gering ist, werden Radfahrende gerade dann herausgefischt, wenn sie sich sicherheitsbewußt und regelkonform verhalten, etwa (vermeintliche) Radverkehrsanlagen rechts liegen lassen. Gegen gefährliches Verhalten wie Gehwegbenutzung und das Fahren auf linken Radwegen wird selten vorgegangen. Bei Smartphonenutzung oder Fahren ohne Beleuchtung sieht es wiederum anders aus, zumindest dort, wo Streifenwagen fahren.
Wer eine Ordnungswidrigkeit begeht, dann von einer Person ohne hoheitliche Befugnisse gestoppt wird, kann darin eine Nötigung oder gar Freiheitsberaubung sehen. Das Jedermannsrecht des Festhaltens besteht bei Verkehrsordnungswidrigkeiten nicht. Im Falle eines Unfalles sieht es anders aus, aber da sind auch Zivil- und strafrecht relevant. In Schleswig-Holstein kann deswegen eigentlich nur die Polizei tätig werden.
Zuerst einmal sind Weisungen von Polizeibeamten nach § 34 StVG zu befolgen. Einer klar erkennbaren Weisung zum Anhalten ist folge zu leisten, ansonsten kann ein Bußgeld drohen. "Bußgeldbewehrt nach §§ 36 Abs. 1, 49 Abs. 3 Nr. 1 StVO, § 24 StVG sind alle Weisungen eines Polizeibeamten, die aus einem augenblicklichen Verkehrsbedürfnis heraus zur Regelung des Straßenverkehrs oder zur Beseitigung einer andauernden Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit einem bestimmten Verkehrsteilnehmer erteilt werden, nicht jedoch solche Weisungen, die allein die Verfolgung einer (beendeten) Verkehrsordnungswidrigkeit ermöglichen sollen", stellte der Bundesgerichtshof 1984 fest (zitiert nach Verkehrslexikon).Wer angehalten wird, sollte fragen, weshalb das erfolgt. Dabei ist davon auszugehen, dass regelunkundige Polizeibeamte unwillig sind, benannte Paragraphen nachzuschlagen. Auf Verlangen sind die Personalien mitzuteilen. In Schleswig-Holstein wird nicht vort abkassiert. Wenn der Polizeibeamte verlangt, etwas zu tun, sollte nachgefragt werden, ob es sich um eine "Polizeilichen Anordnung" handelt. Diese ist nämlich zu befolgen, selbst wenn sie einen Rechtsverstoß wie das Schieben auf einem schmalen Gehweg mit hohem Fußverkehrsaufkommen (§ 25 II StVO) oder das Befahren eines Radweges entgegen der fahrtrichtung zur Folge hat. Deshalb sollten Name, Dienstgrad und -stelle des weisenden Beamten erfragt werden. Gegen die Polizeiliche Anordnung kann binnen einer Frist schriftlich bei der Dienststelle Widerspruch eingelegt werden. Leider ist davon auszugehen, dass dieser in Ablage P landet. Im Idealfall wird jedoch die Rechtslage geprüft und der Beamte belehrt. Bei Fehlverhalten von Polizeibeamten kann übrigens Schadenersatz geltend gemacht werden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Polizeiliche Anordnung einen Unfall zur Folge hat. Wenn ein Polizeibeamter etwa entgegen regelmäßiger Rechtsprechung verlangt, dass ein Radfahrender den vereisten Radweg statt der geräumten Fahrbahn benutzen soll, haftet unter umständen das Land.
Luft Herauslassen bei Personen, wellche ohne Licht Radfahren kann unverhältnismäßig sein, allerdings durch die rechtsprechung als mögliches Mittel in bestimmten Fällen legitimiert. Damit rechnen muß, wer z.B. nach der Kontrolle trotz bemängelter Beleuchtung oder fehlender anderer sicherheitseinrichtungen weiterfährt. Bei den beliebten Bahnrädern (Fixies) fehlen häufig die zwei unabhängig voneinander funktionierenden Bremsen. Die Weiterfahrt sollte deshalb nach Feststellung unbedingt unterlassen werden. Die Androhung einer Beschlagnahme des Fahrzeuges ignoriert häufig die hohen rechtlichen Hürden. Wer Opfer einer Beschlagnahme wird, sollte sich unbedingt anwaltlichen Rat suchen.
Wer sich um seine Rechte gebracht fühlt, sollte sofort für seine Unterlagen ein Gedächjnisprotokoll anfertigen. Zeitnah erstellte Photos der strittigen Verkehrssituation und der Verkehrszeichen können auch hilfreich sein. Hier sollte das Augenmerk darauf liegen, dass das Photo offensichtlich dort erstellt wurde, erkennbare unverwechselbare Merkmale wie Fassaden können hilfreich sein.
Zuerst kommt häufig das Verwarnungsgeldangebot in Verbindung mit einem Anhörungsbogen. Wenn der Tatvorwurf berechtigt ist, sollte das Verwarnungsgeld akzeptiert und entrichtet werden. Im anderen Falle kann das Angebot auch teilweise akzeptiert oder völlig zurückgewiesen werden. Dann lohnt es sich, den Anhörungsbogen auszufüllen und den Standpunkt sachlich zu belegen. Kommt binnen der Verjährungsfrist von 3 Monaten nichts Weiteres, hat sich die Angelegenheit erledigt. Es lohnt sich, das Eingangsdatum des Schreibens zu notieren.
Entweder umgehend ohne Verwahnungsgeldangebot oder nach der Stellungnahme kann der gelbe Umschlag mit dem Bußgeldbescheid kommen. Der gelbe Umschlag trägt den Zustellungsvermerk und sollte wegen der Fristen aufbewahrt werden. Das Datum kann auch bei der Ermittlung der Verjährung helfen, welche etwas komplexer ist. Hier besteht die Möglichkeit binnen einer frist einen Einspruch einzulegen. Wegen des Risikos der Verfahrenskosten sollten das wohl abgewogen werden. Wer sich in der Sache sicher ist, kann sich einen Anwalt nehmen oder sich selbst verteidigen. Wird dem Einspruch nicht abgeholfen, geht das Bußgeldverfahren zur Staatsanwaltschaft, welche das Verfahren dem Amtsgericht vorträgt. Radfahrenden sei empfohlen, sich Prozeßbeobachter einzuladen, welche der Sitzung still beiwohnen. Es ist damit zu rechnen, dass der Amtsrichter sehr schlecht eingelesen ist, er wird noch nicht einmal den Einspruch gelesen haben. Daher kann es von Vorteil sein, schon in der ersten Instanz einen spezialisierten Fachanwalt einzusetzen.

Bußgeldkatalog (2020)

Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 02. Februar 2021 um 16:53 Uhr
 
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