FLOP: "Lückenschluß" Hollerstraße (Kreisverkehr/Ärztehaus) Drucken
Geschrieben von: TF   
Dienstag, den 14. März 2023 um 14:21 Uhr

Eigentlich war die Schaffung von Radverkehrsinfrastruktur im betreffenden Bereich eine sehr gute Idee. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es aber Mindeststandards für Radverkehrsanlagen. Dieser Stand der Technik folgt den physikalischen Erfordernissen, wie etwa den Breiten der Verkehrsteilnehmer sowie erforderlichen Sicherheitsräuen, aber auch den Erkenntnissen der Unfallforschung.Die Hollerstraße ist die Ortsdurchfahrt der B 203 durch Büdelsdorf. Angesichts von stop and go auf der Fahrbahn in der Spitzenzeit, wünschen sich dort auch hartgesottene vehicular cyclists dort Radverkehrsanlagen, auf denen sie am Stau vorbeifahren können. Die Verkehrslast ortsauswärts in Richtung Eckernförde liegt wohl bei rund 12.000 Kraftfahrzeugen pro Tag (BASt). Die Zahl Radfahrender und zu Fuss Gehender liegen uns nicht vor. Die Fahrbahn der Hollerstraße hat einen gepflasterten Mittelstreifen. Der Querschnitt der Straße ließe also durchaus auch Lösungen nach Stand der Technik zu.

Gemeinsamer Fuss- und Radweg innerorts?

Der betreffende Abschnitt zwischen Kreisverkehr und kurz vor der "LIDL-Kreuzung" (Konrad-Adenauer-Straße) bot bisher nur einen einseitigen, etwa 1,4 m schmalen Hochbordgehweg vor dem Hotel Heidehof, der rechtswidrig mit Zeichen 240 StVO in beide Richungen versehen war. Ein Radfahrender hat einen Raumbedatf von 1 m. Wie sollen sich zu Fuss Gehende und Radfahrende oder zwei Radfahrende untereinander auf 1,4 m begegnen??? Das Mindesmaß für Gehwege ist lichte 2,5 m, für Einrichtungsradwege 1,5 bzw 2 m, für gemeinsame Fuss- und Radwege innerorts gelten noch ganz andere Regeln.

Gemeinsame Fiuss- und Radwege gibt es in drei Varianten. Einmal gibt es die selbständig geführten Radwege, hier handelt es sich aber um einen zu einer Straße gehörigen Radweg. Es sind Radwege der GHollerstraße. Zur Straße gehörige Radwege gibt es in zwei Varianten, nämlich einmal als Angebotsradweg (vgl. § 2 IV 3 StVO), zum Anderen als ausnahsweise benutzungspflichtigen Radweg (vgl. § 2 iV 2 StVO). Beim gemeinsamen Fuss- und Radweg hat die benutzungspflichtige Variante Zeichen 240 StVO, der Angebotsradweg trägt Sinnzeichen (VwV-StVO zu § 2 Rn. 38a). Das Benutzungspflichten nur unter bestimmten Umständen angeordnet Unzumutbarer gemeinsamer Fuss- und Radweg auf Veloroutewerden, nämlich bei qualifizierender Gefahjrenlage (§ 45 StVO), ist in den Verwaltungen im Raum Rendsburg noch nicht angekommen. Es gibt inzwischen klare Gerichtsentscheidungen zum Thema, etwa von 2010 vom Bundesverwaltungsgericht.

Für den Neubau von Radverkehrsanlagen gibt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zu § 2 Abs. 4 StVO relevante Hinweise. Unter Randnummer 33 verweist diese Vorschrift auf die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) der FGSV, ein Regelwerk, welches den Stand der Technik abbildet. Das wird zum Beispiel von Verwaltungsgerichten herangezogen. Bei Planung und Bau dieses "Lückenschlusses" relevant waren die ERA 2010. Diese sehen für innerörtliche gemeinsame Fuss- und Radwege eine Mindesbreite von 2,5 m plus Sicherheitsräumen vor. Die Breite ist abhängig vom zu erwartenden Fussverkehrs- und Radverkehrsaufkommen. Die Richtlinien für Anlage von Stadtstraßen 8RASt d. FGSV) bieten eine Tabelle, aus der hervorgeht, dass schon bei zweistellige Fussverkehrsaufkommen in der Spitzenzeit Schranken vorliegen. Hintergrund ist das hohe Konfliktrisiko zwischen Fahrzeug- und Fussverkehr. Zu Fuss Gehende sind wendig, können plötzlich die Richtung wechseln. Auch deshalb sind Sicherheitsabstände notwendig. Die Geschwindigkeitsunterschiede zwischen Fussverkehr mit 3 bis 6 km/h und Radverkehr sind auch hoch.Für Aufenthaltsqualität für den Fussverkehr, insbesondere von Gebrechlichen und Seniorinnen und Senioren, ist die Trennung von Rad- und Fussverkehr auch wichtig. Es kann zum letzten Sturz der ansonsten rüstigen 90-Jährigen führen, wenn sie sich erschrickt, weil in ihrem altersbedingt eingeschränkten Gesichtsfeld der sie überholende Radfahrende auftaucht.
Verkehrsraum soll so gestaltet werden, dass Konflikte minimiert werden, die Unfallrisiken sollen vermieden werden. Die vision zero wurde in der VwV-StVO zu § 1  proklamiert.Daher sind gemeinsame Fuss- und Radwege innerorts letzte Wahl und nur dort zulässig, wo es kaum Fuss- oder Radverkehr gibt.

Veloroute

Der betreffende Raum ist Abschnitt der Veloroute von RadStark von Borgstedt nach Rendsburg. Auf Abschnitten mit Netzbedeutung für den Radverkehr ist die gemeinsame Führung mit dem Fussverkehr nicht zulässig. Denn "Hauptverbindungen des Radverkehrs" gehölren zu den Ausschlusskriterien für die gemeinsame Führung (Kap. 3.6 ERA d. FGSV). In Anbetracht von Ärztehaus und Bushaltestelle komt auch noch ein weiteres Auschlusskriterium hinzu, nämlich die zu erwartende hohe Zahl gebrechlicher zu Fuss Gehender.

Untergrund

Unzumutbarer gemeinsamer Fuss- und Radweg auf VelorouteIm Bereich der Bäume wurde als Untergrund Grant gewählt. Die geringe breite von 2 m in diesem Abschnitt wird angesichts des Raumbedarfs von Radfahrenden und zu Fuss Gehenden zu Bresungen führen. Der lose untergrund erhöht das Sturzrisiko bei Gefahrenbremsung, auch bei angepasster Geschwindigkeit. Es ist fraglich, ob es sich für eine für den Radverkehr bestimmte Verkehrsfläche geeigneten Untergrund handelt. Gerade eine Benutzungspflicht setzt neben ausreichender Breite auch einen befestigten Untergrund voraus (VwV-StVO zu $ 2 Abs. Rn. 17). Übrigens zeichnet sich in der Kante rechts im Bild schon heute ein weiteres Sturzrisiko ab.


Radverkehrsbehinderung statt -förderung

Ein Radfahrender hat einen Raumbedarf von 1 m in der Breite. Für Gespanne werden 1,2 m benannt. Ein zügiges Vorankommen setzt eine entsprechend breite Verkehrsfläche voraus. Denn Radverkehr ist in der Geschwindigkeit sehr heterogen. Die rüstige Seniorin mit dem Hollandrad muss den Auch-mal-Radfahrer sicher überholen können. In Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit des Radverkehrs mit der Automobilität sollen gerade Vorzugsrouten wie Velorouten ein zügiges Vorankommen ermöglichen. Auf einem gemeinsamen Fuss- und Radweg gilt nach älteren Gerichtsurteilen de facto eine Geschwindigkeitsobergrenze von 15 bis 18 km/h. mehr als 25 km/h gelten als rücksichtsloses Rasen. Nebenan auf der Fahrbahn wird fröhlich und ungestört von Radfahrenden gerast, bis zum nächsten verkehrsbedingten Halt, sofern nicht bei "Dunkelorange" hindurchgerauscht wird. Durch die Benutzungspflicht für diesen gemeinsamen Fuss und Radweg durch das Zeichen 240 StVO wird der Wettbewerb zu Gunsten der klimaschädlichen Automobilität verzerrt. Radverkehrsförderung hätte eine Radverkehrsanlage nach Stand der Technik erforderlich gemacht.


Straßenquerschnitt

Nein, niemand fordert, die erhaltenswerten Bäume zu fällen. Die Fahrbahn bietet einen gepflasterten Mittelstreifen. Wenn der ernsthafte Wille bestünde, Radverkehrsanlagen nach Stand der Technik zu schaffen, wäre der Raum vorhanden.

Kreisverkehr

Der Kreisverkehr am Ärztehaus befindet sich innerorts. Er ist einspurig. Da die separierte Führung von Radfahrenden in Kreisverkehren hoch problematisch ist, ist es unverständlich, wieso es im Kreisverkehr eine Radwegebenutzungspflicht gibt. Die Unfallforschung der Versicherer (UdV) empfiehlt bei kleinen Kreisverkehren bis 18.000 Kfz/d die Führung auf der Fahrbahn; das Regelwerk nennt 15.000 Kfz/24 h als Grenze (Kap. 4.5.3 ERA d. FGSV). Mit Blick auf die Radverkehrsförderung ist ein Separationsangebot, ein Angebotsradweg wünschenswert. Aber die Benutzung und Selbstgefährdung darf nicht durch Z. 240 StVO erzwungen werden. Es wäre geboten gewesen, Ab- und Auffahrten nach Stand der Technik zu schaffen. Statt Z. 240 StVO wären Sinnzeichen auf dem Gehweg für einen Angebotsradweg korrekt gewesen (VwV-StVO zu § 2 Abs. 4 Rn. 38a). Dann hätten Radfahrende wählen können, ob sie lieber zügig und sicher auf der Fahrbahn des Kreisverkehrsplatzes fahren oder mit den Einschränkungen und Risiken den gemeinsamen Fuss- und Radweg wählen wollen.

Fazit

Es ist davon auszugehen, dass das Planungsbureau die Entscheider gewarnt hatte. Das Ergebnis ist ungenügend. Das monatelange Verkehrschaos in der Bauphase ist durch das Ergebnis nicht zu rechtfertigen. Fakt ist, dass die gemeinsame Führung von Rad- und Fussverkehr dort unzulässig ist. Betroffene Radfahrende, aber auch zu Fuss Gehende können die Neuanordnungen der Zeichen 240 StVO anfechten.
Das äußerst unbefriedigende Ergebnis ist, dass Konflikte zwischen Rad- und Fussverkehr sehr wahrscheinlich sind. Dieses wird dann auch noch rechtswidrig angeordnete Zeichen 240 StVO erzwungen. Eine Chance, gute Radwege zu schaffen, wurde vertan. Geschaffen wurde ein FLOP, der möglicherweise noch rechtliche Nachspiele haben wird. Radverkehrsförderung hätte eine Radverkehrsanlage nach Stand der Technik erforderlich gemacht.




Zuletzt aktualisiert am Donnerstag, den 18. Mai 2023 um 15:01 Uhr