OLG Schleswig: Unfallopfer trägt Mitschuld wegen fehlenden Helmes Drucken
Geschrieben von: Torben Frank   
Montag, den 17. Juni 2013 um 17:32 Uhr

(TF) Nach Ansicht des Oberlandesgerichtes Schleswig, trägt ein Radfahrer, der keinen Helm trägt, eine Mitschuld an der Schwere der Verletzung. Im vorliegenden Fall war eine Radfahrerin auf dem Weg zur Arbeit "gedoort" worden - die Autotür wurde unachtsam geöffnet -, sie stürzte und schlug mit dem Kopf auf. Die Schwere der Verletzungen des Unfallopfers hätten nach Ansicht des OLG Schleswig gedämpft werden können, wenn die Frau einen Fahrradhelm getragen hätte. (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 05.06.2013., Aktenzeichen: 7 U 11/12)

Vermeidbarer Unfall

Wie läßt es sich vermeiden, eine Tür "einzufangen"? Im Vortrag "Sicher Radfahren" von ADFC und Bundesverkehrsministerium werden 0,75 bis 1,5 m Sicherheitsabstand zu parkenden Autos empfohlen. Einige Gerichte sprechen Radfahrern eine Mitschuld zu, wenn sie wegen eines zu geringen Seitenabstandes "in eine sich öffnende Autotür fuhren. Wer auf einem Radweg unterwegs ist, sollte bedenken, daß er den Gehweg nicht mitbenutzen darf. Die Fahrt auf der Fahrbahn ist innerorts ohnehin sicherer, wie alle seriösen Studien belegen.
Straßenverkehrsbehörde meint, sie müsse nach § 45 StVO eine Radwegebenutzungspflicht anordnen, muß sie die rechtsverbindliche Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) sowie den Stand der Technik, welche die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) wiedergeben, beachten. Demnach muß der Gehweg neben dem Radweg ausreichend breit sein, der Radweg muß mindestens 2 m breit sein, zur Fahrbahn hin ist ein 0,25 m breiter Sicherheitsstreifen erforderlich, zu Parkbuchten muß der Sicherheitsraum mindestens 0,75 m breit sein. Erfüllt ein Radweg nicht diese Mindestkriterien, ist der Straßenverkehrsbehörde die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht nicht erlaubt. Ein Radweg, der solch einen Sicherheitsraum zu längsparkenden Autos nicht bietet, sollte gemieden werden. Er kann als unzumutbar betrachtet werden. Jedoch ist die Rechtsprechung bezüglich unzumutbarer Radwege sehr uneinheitlich.

Pressemitteilung

Meldung beim NDR

Kommentar auf ZEIT.de

Kommentar

(TF) Das Urteil ist rechtstaatlich bedenklich. Denn das Opfer wird zum Mittäter gemacht, obwohl es gegen keine Norm verstoßen hat. Das Fehlverhalten des Autofahrers ist ursächlich für die Verletzung, auch für die Schwere der Verletzung, nicht der fehlende Helm. Es ist die Blindheit und Verantwortungslosigkeit deutscher Autofahrender, die zu solchen Unfällen führt. "Übersehen" heißt es dann in der Pressemeldung zum Unfall. Das Urteil hebelt auch die Gewaltenteilung aus. Denn über eine Helmpflicht darf nur die Legislative entscheiden bzw. eine durch die Legislative ermächtigte Exekutive. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht  - immerhin die oberste Instanz im Land - führt de facto eine Fahrradhelmpflicht ein. Amts- und Landgerichte werden sich in der Schadenersatzfrage nach Unfällen mit Kopfverletzungen nun an diesem Urteil orientieren.
In Dänemark und in den Niederlanden gibt es kaum Fahrradhelme im Straßenbild. Staaten mit Fahrradhelmpflicht wie einige australische Bundesstaaten und Neuseeland diskutieren die Rücknahme der Helmpflicht. Dort hat der Radverkehrsanteil stark abgebommen, die absolute Zahl der Verletzten sank aber nicht. Für Kanada gibt es eine aktuelle Vergleichsstudie, die zu Ungunsten der Helmpflichtbefürworter ausfällt. Kann das Styropor wirklich das Verletzungsrisiko mindern? Der wissenschaftliche Beweis für den Nutzen eines Fahrradhelmes steht aus.
Der Autor Torben Frank ist Alltagsradfahrer. Er trägt meist einen Fahrradhelm und hat eine Fahrerlaubnis der alten Klasse 3 für PKW.

Etwas gelassener sieht der Autor Malte Hübner (ADFC Wedel) auf radverkehrspolitik.de dieses Urteil.

Nachtrag

Der ADFC unterstützt die Revision. Der Bundesgerichtshof wird sich also noch einmal mit dem Thema beschäftigen.
http://www.adfc.de/news/mitverschulden-ohne-fahrradhelm-adfc-kritisiert-urteil


Zuletzt aktualisiert am Mittwoch, den 19. Juni 2013 um 02:27 Uhr