Amtsrichterin will Fahrradfahrer zu Fußgängern machen Drucken
Geschrieben von: TF   
Dienstag, den 16. September 2014 um 23:44 Uhr

(TF) Vor dem Amtsgericht Rendsburg wurde ein Bußgeldverfahren verhandelt. Nach einem starken Orkan waren zwei Radfahrende zwischen Fockbek und Nübbel unterwegs. Wegen der Zweige und Äste auf dem mit Zeichen 240 versehenen Radweg erachteten die beiden Radfahrenden den gemischten Fuß- und Radweg als unbenutzbar. Nach Ansicht sehr vieler Juristen war es zulässsig, daß die beiden wegen der Unbenutzbarkeit des benutzungspflichtigen Radwegs auf die Fahrbahn wechselten (z.B. OLG Naumburg, 08.12.2011, 1 U 74/11; LG Düsseldorf, 06.10.2009, Az. 2 B O 212/08). Ein Polizist hielt die beiden Radfahrenden an, weil ihn störte, daß die beiden nicht auf dem Radweg fuhren. Er schrieb eine Anzeige wegen der Ordnungswidrigkeit Nichtbenutzung eines benutzungspflichtigen Radweges. Die Betroffenen gingen in das Widerspruchsverfahren und am Ende stand wegen der fehlenden Einsicht der Bußgeldstelle, welche offensichtlich nicht die Position des Verordnungsgebers, des Bundesverkehrsministeriums kannte, kam der Fall vor das Amtsgericht. Der Polizist bestätigte in seiner Zeugenaussage die Unbenutzbarkeit des Radweges. Die Amtsrichterin war die Rechtslage unbekannt. Sie urteilte gegen die Radfahrenden und teilte mit, daß diese hätten schieben müssen, wenn sie nicht auf dem Radweg fahren wollten.Sie sprach folglich ein diskriminierendes Verkehrsverbot gegen Radfahrende aus. Bedauerlicherweise zogen die beiden Betroffenen vor die nächste Instanz, wo sie mit Sicherheit obsiegt hätten.

Nach meiner Ansicht hätte geprüft werden müssen, ob die Anordnung der Benutzungspflicht überhaupt bestand hat. Denn viele Zeichen 237, 240 oder 241 StVO, die nach § 2 IV StVO ausnahmsweise eine Radwegebenutzungspflicht anordnen, sind rechtsunwirksam oder gar nichtig. Dazu gehört zum Einen die Frage, ob überhaupt eine Anordnung der zuständigen Straßenverkehrsbehörde auf Grundlage des § 45 StVO erfolgte. Zum Anderen hätte geprüft werden müssen, ob der Radweg die Mindeststandards erfüllt, welche nach Stand der Technik erfüllt sein müssen. Denn nach einem Trend in der Rechtsprechung, darf ein benutzungspflichtiger Radweg, der objektiv nicht dem Stand der Technik entspricht, gemieden werden. Eine der Argumentationen ist, daß die Allgemeinverfügung, welche das Verkehrszeichen kommuniziert, nach § 44 VwVfG nichtig ist, da eine wichtige Rechtsvorschrift nicht berücksichtigt wurde. Der Stand der Technik ist das Ergebnis der Unfallforschung, welche nachgewiesen hatte, daß schlechte Radwege Unfälle begünstigen. 
Ein weiterer Aspekt ist die Frage, wo zu Fuß Gehende denn ihr Fahrzeug schieben müssen. Unter Umständen hätte das auf der Fahrbahn geschehen dürfen oder gar müssen (§ 25 II StVO).


Der Autor ist verkehrsrechtlicher Sprecher des ADFC Rendsburg. Er hat im Studium Leistungsnachweise in Verwaltungsrecht erbracht. 

Zuletzt aktualisiert am Mittwoch, den 17. September 2014 um 00:35 Uhr