Rendsburg: Stellungnahme der Stadtverwaltung Drucken
Geschrieben von: TF   
Dienstag, den 23. Juni 2015 um 10:21 Uhr

(TF) Dieses ist eine persönliche Erwiderung der Stellungnahme der Stadtverwaltung zum Fahrradklimatest.

Heute im Bauausschuß kommtunter TOP 9 die Stellungnahme der Stadtverwaltung zum Fahrradklimatest. Die kann so nicht unwidersprochen stehen bleiben. Dem Bundestag und dem Bundesverkehrsministerium war diese Studie Fördergelder wert.
Die Methodik war nicht vom ADFC gewählt, sondern von Profis, welche die Studie im Auftrag des ADFC Bundesverbandes durchführten. Daß Städte unter 50.000 Teilnehmern auch besser abschnitten, zeigen Beispiele aus Westfalen. Photos aus jenen Städten zeigen aber auch, daß sie die Kommunen sehr um die Förderung des Radverkehrs bemühen und sich an den Niederlanden orientieren.
Die am Ende des Fragebogens möglichen individuellen Auswertungen wurden der Stadtverwaltung vom ADFC Rendsburg übergeben. Diesem wurden diese durch den Bundesverband zur Verfügung gestellt Das war ab einer Fragebogenmenge von 30 möglich, so daß auch Ergebnisse von Büdelsdorf vorliegen.

Nach Aufhebung von Radwegebenutzungspflichten fahren noch ca. 90 % der Radfahrenden entweder wegen ihres subjektiven Sicherheitsempfindens oder wegen Unwissenheit auf dem baulich verbliebenem Radweg mit Benutzungsrecht. Daher ist es erstrebenswert, gute Radverkehrsanlagen mit Benutzungsrecht zu schaffen und zu unterhalten. Gute Radwege brauchen keine Benutzungspflicht.

Die Aufhebung von Benutzungspflichten ist in Rendsburg im Gegensatz zu den Umlandgemeinden schon teilweise erfolgt. Dabei orientierte sich die Straßenverkehrsbeörde an den Empfehlungen des 2002 beschlossenen GVP. Jedoch gab es nach 2002 noch mehrere Novellen der StVO. Hinzu kommt, daß das Bundesverwaltungsgericht 2009 klarstellte, daß der Nachweis einer außerordentlichen Gefahrenlage auf der Fahrbahn nach § 45 StVO notwendig ist, um eine Radwegebenutzungspflicht anzuordnen. Damit ein Radweg überhaupt sicherer als die Fahrbahn sein kann, muß der Stand der Technik erfüllt sein (VwV-StVO zu § 2 AAbs. 4 S. 2; ERA 2010), das ist das Ergebnis der Unfallforschung. Je schlechter ein Radweg, desto höher das Unfallrisiko auf ihm. Das VG Gießen kassierte eine RWBP an einer Bundesstraße, weil die Verkehrslast keine hinreichende Begründung ist, sondern die Radwege müßten auch dem Stand der Technik entsprechen (Urteil vom 25.06.2013, 6 K 268/12.GI). Die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer hat Vorrang vor der Leichtigkeit des Verkehrsflusses.

Der schlechte Erhaltungszustand in Rendsburg begünstigt Alleinunfälle. Abgerundete Kanten an Einbündungen mögen für abbiegende LKWs praktisch sein, aber das Auffahren im spitzen Winkel begünstigt Stürze.
Die Radwege sind zu schmal. Die Mindestbreite sind lichte 2 m, wobei der Radweg 1,5 m (VwV-StVO zu § 2 Abs. 4 S. 2) bzw. 1,8 m breit sein muß (ERA 2010). Nur an kurzen Engstellen, z.B. einer vorragenden Fassade, einem Baum oder wegen eines Brückenpfeilers darf abgewichen werden.
Auch zu beachten ist, daß eine Verbreiterung des Hochbordradweges zu Lasten des Fußverkehrs unzulässig ist. Es wird in den VwV-StVO klar betont, daß der Gehweg ausreichend breit sein muß (EFA 1,8 m). Das soll Konflikte zwischen zu Fuß Gehenden und Radfahrenden verhindern. Eine klare bauliche Trennung zwischen Radweg und Gehweg wird auch gefordert, ist in Rendsburg aber nur mäßig oder am Jungfernstieg vor der Post gar nicht realisiert.
Die Rendsburger Radwege verlaufen direkt durch die Dooring-Zonen von Parkseitenstreifen, etwa in der Kieler Straße. Ein Ausweichen auf den Gehweg ist verboten, so daß auf den schmalen Radwegen kein Sicherheitsabstand zu parkenden Autos gehalten werden kann. Eigentlich sind Sicherheitssteifen zwischen Parkenden und Radweg vorgeschrieben.

Gerade die älteren Straßenquerschnitte der autogerechten Stadt Rendsburg böten sich für die Vermessung an, ob Radfahr- oder Schutzstreifen verwirklicht werden könnten. Kieler Straße oder Alte Kieler Landstraße und Alborgstraße können geeignet sein. Allerdings müßte das von Kontrollen der Polizei und einer Aufklärungskampage hinsichtlich des Seitenabstandes Überholender begleitet werden. Bei Schutzstreifen (gestrichelte Linie) auf der Fahrbahn bestünde weiterhin ein Benutzungsecht für die Radwege. Nach einer Eingewöhnungsphase könnten die Radwege mit Z. 239 dem Fußverkehr zugeschlagen werden, damit dieser mehr Raum und somit Aufenthaltsqualität erhält. Radfahrstreifen (durchgängige Linie) erfordern zusätzlich Z. 237 und sind benutzungspflichtig, so daß das alte Hochbord brach läge.
 Alternativ ist die Führung im Mischverkehr bei Erhalt der unzumutbaren Radwege mit Benutzungsrecht vorzusehen. Das ist kein Wunsch des Autors, sondern die Vorgabe des Verordnungsgebers und Erfordernis für die Verkehrssicherheit.

Unfälle durch Fehlverhalten von Radfahrenden gibt es. Keine Frage! Aber es muß hinterfragt werden, ob Fehlverhalten nicht durch eine ungeeignete Radverkehrsinfrastruktur begünstigt wird. Lange Rotphase verleiten zum Rotlichtverstoß.
Während das Fahrrad
rechtlich ein gleichberechtigtes Fahrzeug ist, besteht in der Praxis in vielen Kommunen noch Verkehrsmittelapartheid zugunsten der autogerechten Stadt. Das Argument, daß für den besseren Fluß des Kfz-Verkehrs die Ampeln für den Radverkehr unvorteilhaft geschaltet sein müßten, zieht nicht. Es handelt sich um gleichberechtigte Fahrzeuge. Im übrigen wird der fahrbahnbegleitende Charakter eines Radweges durch Benachteiligung infragegestellt. Ein Extrem ist die Bettelampel an dem mehr als 5 m abgesetzten gemischten Fuß- und Radweg neben der Fockbeker Chaussee im Bereich der einen Auffahrt auf die B 77. Andere Ampeln, z.B. in der Mühlenstraße sind durch Induktionsschleifen gesteuert, welche nicht auf Fahrräder und einige Motorroller reagieren.
Hauptunfallursache für Radfahrende bei Fremdbeteiligung ist das blinde Abbiegen Autofahrender. Diese Unfälle werden durch unzumutbare Radverkehrsanlagen begünstigt. Unfälle im Längsverkehr auf der Fahrbahn dagegen sind innerorts äußerst selten und werden durch stark alkoholisierte oder abgelenkte Autofahrende verursacht.

Erschreckend ist, daß eine zur Neutralität verpflichtete Stadtverwaltung das Stereotyp vom regelwidrig fahrenden Radfahrenden heranzieht, der an seinen Unfällen selbst schuld wäre. Die Unfallforschung wurde schon oben angeführt. Der Eindruck, Radfahrende verhielten sich häufig regelwidrig kann ebenso nicht stehenbleiben. Die Freiburger Polizei hat das untersucht und mußte feststellen, daß sich die Mehrheit der Radfahrende im Regelfall regelkonform verhält.



Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 30. Juni 2015 um 09:08 Uhr