Aufklärung in Fockbek Drucken
Geschrieben von: TF   
Montag, den 01. Februar 2021 um 17:52 Uhr
Beiträge im Blog geben nicht zwingend die Meinung aller Mitglieder der Ortsgruppe, sondern die von Einzelpersonen wieder. Die Beiträge sind namentlich gekennzeichnet. In diesem Beitrag bespricht und ergänzt unser Aktiver Torben Frank einen Artikel zur Radwegebenutzungspflicht in den Fockbeker Nachrichten.

(TF) Ich habe mir jetzt mal den gesamten Artikel zum Radwege-Komplex in den Fockbeker Nachrichten zu Gemüte geführt (FN 621, Januar 2021, S. 5). Zuerst einmal ist erfreulich, dass der Kreis endlich, nach fast einem Vierteljahrhundert angefangen hat, geltendes Recht umzusetzen. Das haben wir insbesondere den Neubesetzungen Hingst und Habermann(?) zu verdanken.
Was im Artikel zur Radwegebenutzungspflicht steht, wäre im Idealfall richtig. Der Idealfall wäre, wenn die Straßenverkehrsbehörde die Fahrradnovelle von 1997 umgesetzt hätte, womit sie jetzt begonnen hatte. Im gesamten Raum Rendsburg, in gesamt Schleswig-Holstein wurde das nicht gemacht. Und das macht die Situation komplizierter. Es gibt bundesweit, aber auch in Schleswig-Holstein Gerichtsurteile, welche die Mängel aufzeigen und Benutzungspflichten kassierten. Das Bundesverwaltungsgericht setzte zwei Mal sehr hohe Hürden für die Anordnung von Radwegebenutzungspflichten. Einmal ging es um den Nachweis der "über das normale Maß hinausgehenden Gefahrenlage" (BVerwG 3 C 42.09). Die Straßenverkehrsbehörde muß nach § 45 IX StVO in einem Gutachten nachweisen, dass die Separation notwendig, es ausnahmsweise sicherer ist, den Radverkehr auf dem Radweg zu führen. Sehr hohe Hürden für die Abweichung von den Mindeststandards der VwV-StVO zu § 2 Abs. 4 S. 2 setzte das Bundesverwaltungsgericht dann 2012 (BVerwG 3 B 62.11). Da geht es darum, dass bei einer nachgewiesenen Gefahrenlage abgewichen werden kann, wenn die Gefahren auf dem unzumutbaren Radweg geringer sind als die allgemeinen Gefahren. Die Gefahren für alle Verkehrsteilnehmer müssen dabei gewertet werden.
Und da liegt das Problem. Innerorts in Fockbek wie in den übrigen Gemeinden des Raums Rendsburg gibt es keine Radverkehrsanlage, welche den Erfordernissen entspricht. Besonders schwerwiegend ist, dass der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr in den Ortsdurchfahrten der klassifizierten Straßen auf gemeinsame Fuß- und Radwege setzte. Theoretisch ist schon außerorts bei hohem Fußverkehrsaufkommen zu separieren. Das Kapitel der ERA 2010 zum Thema las ich erst neulich. Nun gibt es aber innerorts ein erhöhtes Fußverkehrsaufkommen. Für einen Abschnitt der Rendsburger Straße führte das jüngst sogar temporär zur Mund-Nasen-Bedeckungspflicht für die zu Fuß Gehenden. Es wurde offensichtlich kein Ermessen bei Anordnung der Radwegebenutzungspflicht in der Rendsburger Straße vorgenommen, wie auch die Unterschreitung der Mindestbreite zeigt. Für Radfahrende bedeutet dieser schwere Rechtsfehler, dass die mit den Zeichen 240 StVO kommunizierte Allgemeinverfügung Benutzungspflicht auf einem gemeinsamen Fuß- und Radweg nach § 44 VwVfG nichtig ist. Radfahrende dürfen demnach auf der Fahrbahn fahren. Der Mobilitätsrechtler Dr. Dietmar Kettler, der zu Lebzeiten als der Spezialist für Verkehrsrechtliche Anordnungen galt, hatte das in Aufsätzen und in seinem Buch "Recht für Radfahrer. Ein Rechtsberater" mehrmals durchdekliniert. Ein weiteres Indiz für die Nichtigkeit der Anordnung ist die grob rechtswidrige Beschilderuung sowohl links als auch recht in Fahrtrichtung. "Grob rechtswidrig" ist die Wortwahl von Verwaltungsrichtern zu vergleichbaren Fällen. Nun wissen ein paar Eingeweihte aber, dass es überhaupt keine ordentliche Anordnung gibt. Deshalb handelt es sich sogar um Nichtakte. Da anscheinend jetzt eine Verkehrsschau stattfand, sind aber eventuell Anordnungen in Arbeit. Aber die können und Berücksichtigung der Erfordernisse nicht rechtlich einwandfrei erfolgen, es läge wieder Nichtigkeit wegen schwerer Ermessensfehlern vor. Da es sich um eine Neuanordnung handeln würde, begönne die Ein-Jahres-Frist für Widersprüche wieder zu laufen.
Am neuen Abschnitt der Umgehungsstraße steht auch ein Zeichen 240 StVO. Zwar habe ich den Radweg nicht vermessen, aber der könnte rechtskorm sein. Außerorts fällt ohnehin das schwerwiegende radwegetypische Unfallrisiko weg. Innerorts sind die Abbiegeunfälle durch blind abbiegende Kfz-Führer ("übersehen") das Hauptunfallrisiko. Unfälle im Längsverkehr treten innerorts kaum auf, wenn wir von Stürzen nach engem Überholen absehen. Für den innerörtlichen Bereich ist der Forschungsstand eindeutig. Sehr häufig ist der Radverkehr sicherer im Mischverkehr auf der Fahrbahn unterwegs, wenn keine vernünftige Radverkehrsanlage vorhanden ist. Außerorts sind die Geschwindigkeitsunterschiede höher, außerdem gibt es noch keine Forschungsarbeit zum Thema außerörtlicher radweg, soweit ich weiß. Wer sich mal ansehen will, wie die Gefahrenlage auf Radwegen ist, wer Hinweise auf Literaur braucht, kann sich unter dem Lemma "Radverkehrsanlage" auf Wikipedia einen guten Artikel ansehen. Der enthält auch eine Graphik, welche nach den Erkenntnissen an der Universität Lund zum Unfallrisiko auf radwegen erstellt wurde.