Ampeln und Fahrrad Drucken
Geschrieben von: TF   
Donnerstag, den 23. Februar 2023 um 14:06 Uhr

Beiträge im Blog geben Einzelmeinungen, nicht zwingend die Meinung der Ortsgruppe oder des ADFC wieder. Leser solten allerding berücksichtigen, dass benannte Fakten und zitierte Belegstellen Allgemeingültigkeit haben. In diesem Beitrag kommentiert der Verkehrsrechtliche Sprecher unserer Ortsgruppe die Thematik der Lichtsignalanlagen (LSA) im Raum Rendsburg.

Ampeln heißen amtsdeutsch Lichtsignalanlagen (LSA). In diesem Beitrag geht es vorrangig um LSA an Knotenpunkten, d.h. Kreuzungen. Das Lichtsignal ist Grün, Rot oder Gelb. Lichtsignale sind verkehrsrechtliche Anordnungen wie Verkehrszeichen. Gegen Verkehrszeichen kann vom Betroffenen verwaltungsrechtlich vorgegangen werden, wenn ein Verkehrsteilnehmer belastet wird. Es ist davon auszugehen, dass mit jedem Zyklus ein neues Zeichen angeordnet ist, deswegen beginnt die Widerspruchsfrist immer wieder neu. Das kann etwa bei LSA mit schlecht eingestellter Induktionsschleife der Fall sein. Aber auch der Antrag auf Neubescheidung ist natürlich möglich. Das sei vorweg zur Einordnung erklärt.
Welches Lichtsignal für den Radverkehr gilt, ist in § 37 StVO geregelt.

Wer ein Rad fährt, hat die Lichtzeichen für den Fahrverkehr zu beachten. Davon abweichend sind auf Radverkehrsführungen die besonderen Lichtzeichen für den Radverkehr zu beachten. (§ 37 II 6 StVO)

Das bedeutet, dass generell die fälschlich gerne als "Auto-Ampel" bezeichnete Lichtsignalanlage für den Radverkehr gilt. Wenn ein Radfahrender auf einer Radverkehrsanlage oder einer speziellen Abbiegespur für Radfahrende unterwegs ist, gilt abweichend davon, sofern vorhanden, die Fahrradampel. Somit können auch Fahrbahnnutzer von einer Fahrradampel betroffen sein, wenn sie auf eine Radverkehrsführung vor dem Knotenpunkt gelenkt werden. Fahrradampeln sind spezielle Lichtzeichen mit Fahrradpiktogramm.In Ausnahmefällen sind auch gemeinsame Streuscheiben für Fuss- und Radverkehr möglich. An benutzungspflichtigen Radwegen ist die Kombinationsstreuschreibe aber weitestgehend ausgeschlossen, nur bei gemeinsamen Fuss- und Radwegen zulässig (Z. 240 StVO). Das bedeutet, dass bei angeordneter Radwegebenutzungspflicht im Regelfall eine eigene Fahrradampel vorhanden sein müsste. Damit trägt der Verordnungsgeber den unterschiedlichen Räiumzeiten Rechnung. Radfahrende haben auf den ersten Metern sogar eine bessere Räumzeit als Verbrenner-Automobile. Dem wird in den Richtlinien und Regelwerken Rechnung getragen. Die Richtlinien für Lichtsigmalanlagen (RiLSA) und die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) der FGSV geben den Stand der Technik wieder und sollten bei Planung und Gestaltung von Lichtsignalanlagen sowie Radverkehrsführungen berücksichtigt werden. Das ist im Raum Rendsburg leider noch nicht selbstverständlich. Dabei trifft die Schuld selten die Planungsbureaus, sondern mehr die Kommunalverwaltungen und -politik, welche das Fahrrad nicht als gleichberechtigtes Fahrzeug anerkennen, sich über Bundesrecht hinwegsetzen. Die Straßenverkehrsbehörden beteiligen auch die Polizei, welche ein automobilzentriertes Weltbild vertritt. Bei klassifizierten Straßen darf dann noch der LBV SH mitreden, der ganz seltsame Auffassungen bezüglich Straßenverkehr vertritt, welche nicht mit Bundesrecht in Einklang zu bringen sind.
Radverkehr ist gleichberechtigter Fahrzeugverkehr. Eine Benachteiligung wegen der Wahl des Mobilitätsmittels ist unzulässig. Gerade in Hinblick auf den Klimaschutz sollte der Radverkehr gefördert werden.

Merksatz: Es gilt die gleiche Ampel wie für die Autos, es sei denn, eine Fahrradampel ist vorhanden und der Radfahrende ist auf einer Radverkehrsführung unterwegs.

"Fahrradfahrer fahren immer bei Rot"

An den Stammtischen lamentieren gerne jene, welche bei Fahrten über "Dunkelorange" erwischt gegen "Abzocke" wettern, beständifg über die Radfahrenden, welche angeblich immer bei Rot führen und sich und Andere in Gefahr brächten. Dabei ist dann häufig nicht bekannt, welches Lichtsignal denn für den Radverkehr gilt. Dass das Lichtsignal für den Fussverkehr seit 2017 nicht mehr für den Radverkehr gilt, hat sich längst nicht herumgesprochen.
Nicht selten haben ältere Fahrradampeln keine Orangephase. Es gibt also keine Vorwarnung. Das ist insbesondere bei Kombi-Streuscheiben mit Fussverkehr der Fall.
Radfahrende, die verunfallen, hatten im Regelfall Vorrang, also Grün, wurden von blind abbiegenden Kfz-Führern umgefahren. Die Unfälle geschehen übrigens vorrangig bei Tageslicht. Wer bei Rot fährt, macht das mehrheilich umsichtig, verschafft sich einen Überblick. Das entschuldigt keine Rotfahrten, zeigt aber, dass diese für das Unfallgeschehen weniger relevant sind, als populär unterstellt wird.

Konfliktschaltung

Konflikte sind Beinaheunfälle und Unfälle. Mit vision zero, mit dem Ziel der Reduktion der Unfallopferzalen im Hinterkopf sollen bei der Verkehrsraumgestaltung eigentlich Konfliktpotentiale reduziert werden (VwV-StVO zu § 1). Ein Hauptunfallrisiko sind Ampelschaltungen, bei denen Rechtsabiegende links der Radverkehrsanlage gleichzeitig Grün mit den vorrangberechtigten Radfahrenden haben. Insbesondere an T-Kreuzungen wie Hollerstraße-Am Friedrichsbrunnen liesse sich dieses Unfallrisiko sehr leicht ausschalten, wenn denn der Wille in den Verwaltungen bestünde. Der Kfz-Verkehr aus Richtung Rendsburg hat dort eine eigene Abbiegespur. Er müsste nur ein Lichtsignal Grün erst dann erhalten, wenn aubiegender Verkehr aus Am Friedrichsbrunnen Grün hat. Dann hätten die vorrangberechtigten Radfahrenden, aber auch der Fussverkehr Rot. Dann wäre das Konfliktpotential für die Radwegbenutzer gemindert. Rechtlich umsetzbar wäre das leicht, begründbar ohhnehin. Allerdings fehlt es den Verantwortlichen an Problembewusstsein sowie Kenntnissen; in Begleitlung mit einer Beratungsresistenz führt das dazu, dass sich nichts ändert. An anderen Kreuzungen wären andere Lösungen zu prüfen.

Systemische Benachteiligung des Radverkehrs im Raum Rendsburg

Bis 2016 galt eine immer wieder verlängerte Übergangsregelung, nach der Radfahrende übergangsweise unter bestimmten Umständen die Fussverkehrsampel zu beachten hatten. Die Übergangsregelung sollte den Straßenbaulastträger und -verkehrsbehörden Gelegenheit geben, Fahrradampeln nachzurüsten und Schaltungen anzupassen. Als der LBV SH in Büdelsdorf im Verlauf der Hollerstraße vor etwa 10 Jahren die Lichtsignalanlagen erneuerte, war dieses schon längst bekannt. Bei der Erneuerung wurde das aber nicht berücksichtigt. Zumindest konnte Bodo Schnoor vom ADFC Rendsburg damals erreichen, dass die Masten nicht überall im Lichtraum der Radwege aufgestellt wurden. Die Lichträume sind übrigens nach Stand der Technik von Hindernissen freizuhalten. Das galt auch schon vor rund einem Jahrzehnt. 
Im Verlauf von Brücken sowie Hollerstraße (B 203), Hollesenstraße und vielen anderen Straßen in Rendsburg wurden einfach kombinierte Streuscheiben eingebracht. Fuss- und Radverkehr dürfen sich dort das Lichtsignal teilen, owohl die Kombination eigentlich nur für Ausnahmefälle vorgesehen ist. Der Regelfall wären eigene Lichtsignale für den Radverkehr, sofern das Lichtzeichen für den allgemeinen Fahrwerkehr nicht auch für Radfahrende gelten soll. Hintergrund ist, dass Radverkehr Fahrzeugverkehr ist, eine deutlich andere Räumzeit als Fussverkehr hat.
Beispiele für erlaubte Kombi-Streuscheiben:
- Gehweg mit Freigabe für Radverkehr (Z. 239 + Zz. 1022-10 StVO), hier wird Radverkehr sowieso nur nachrangig mit Schrittgeschwindigkeit geduldet.
- Gemeinsamer Fuss- und Radweg, egal ob mit Benutzungsrecht (Sinnzeichen nach VwV-StVO zu § 2 Abs. 4 Rn. 38a) oder -pflicht (Z. 240 StVO). Solche Lösungen sind ohnehin nur auf Strecken mit geringem Fuss- und Radverkehrsaufkommen zulässig, gar nicht auf Strecken mit Netzbedeutung. Außerorts gibt es selten LSA.
- Nicht benutzungspflichtige Hochbordradwege, also Angebotsradwege im Sinn des § 2 IV 3 StVO können eine kombinierte Streuscheibe erhalten, abhängig von der Gestaltung der Furt.

Auf zur Straße gehörigen Radverkehrsanlagen, für welche eine Benutzungspflicht für notwendig erachtet wurde, gilt, dass dort der Radverkehr nicht unnötig benachteiligt werden darf. Entweder gilt das Lichtzeichen für den allgemeinen Fahrverkehr oder ene spezielle eigene Fahrradampel.
In der Realität des Raums Rendsburg wird der Radverkehr im Regelfall mit kombinierten Streuscheiben drangsaliert, egal wie der Radverkehr geführt wird. Zum Teil haben wir sogar Anforderungsampeln mit Drücker für den Radverkehr.

No Go Bettelampel

Bei einer Bedarfsampel, die optional als Querungshilfe dient, mag eine Anforderungsampel mit Drücker noch zeitgemäß sein. Für einen zur Straße gehörigen Radweg ist sie jedoch ungehörig. Bei für als benutzungspflichtig erachteten Radwegen ist sie schlichtweg unzulässig, weil der Radverkehr nicht unnötig benachteiligt werden darf. Besonders ärgerlich ist es, wenn die Auslösung nicht möglich ist, weil es an Aufstellfläche fehlt.

Interessant ist etwa, wann eine LSA mit Drücker angeordnet werden kann. Das ist etwa der Fall, wenn ein Radweg nicht zur Straße gehört. Den fahrbahnbegleitenden Charakter verliert ein Radweg schon, wenn er mehr als 5 m abgesetzt ist (vgl. VwV-StVO zu § 9 Abs. 3 Rn. 9). Dann gehört der Radweg nicht mehr zur Straße, kann nicht benutzungspflichtig sein und darf im gewissen Rahmen beim Vorrang benachteiligt werden.

Beispiele für Radwege, die auf den ersten Blick von Unwissenden als straßenbegleitend betrachtet werden, aber Anforderungsampeln mit Drücker installiert sind:

Thormannplatz, Rendsburg
: Wer von An der Schleuse kommend in die Brückenstraße weiter will, den Fehler macht, auf dem Hochbordradweg zu fahren, stößt auf eine Bettelampel. Zwar sind die Anforderungszeiten kurz, aber dennoch muss ein Fahrrad erst auf der Verkehrsinsel Raum finden, dann der Taster betätigt werden. Mit Gespann oder Spezialfahrrrad kann es schwierig werden.

Fockbeker Chaussee, Rendsburg: Aus Fockbek kommend wird der unzumutbare* gemeinsame Fuss- und Radweg im Bereich der Zufahrt der B 77 erst einmal verschwenkt. In Hinblick auf die Verkehrssicherheit ist das schon bei der Planung nicht Stand der Technik gewesen. Infolge der Verschwenkung hat der Radweg aber keinen fahrbahnbegleitenden Charakter, gehört also nicht zur Straße, darf wie ein eigenständig geführter Radweg behandelt werden (vgl. VwV-StVO zu § 9 Abs. 3 Rn. 9). Dass damit die ohnehin unstet angeordnete Benutzungspflicht des unzumutbaren gemeinsamen Fuss- und Radweges nicht besteht, ist ein anderes Thema.

Manchmal gibt es auch LSA mit Anforderung mittels Induktionsschleife, welche schlecht kalibriert sind. Da genügt dann noch nicht einmal ein Stahlrahmen, um die Induktion auszulösen. Selbst Motorroller scheitern an solchen LSA und müssen vom Defekt ausgehen. Dann gilt es, mehrere Ampeldurchläufe abzuwarten, bis vorsichtig auch bei Rot gefahren werden darf.

Fehlende Aufstellfläche

An der Roten Ampel eines Knotenpunkts stehen Radfahrende häufig dem fließenden Radverkehr im Weg. Es fehlt an Aufstellfläche, so dass gelegentlich Wartende quer über dem Radweg stehen. Aufstellflächen sind aber erforderlich.
Verkehrsinseln sind häufig zu klein, um darauf stehen zu bleiben. Wer bremst, weil die zweite Ampel auf Rot springt, hat nicht genügend Raum, um stehen zu bleiben. Strenggenommen wäre es ein Rotlichtverstoß, aber wiederum muss der Kreuzungsbereich geräumt werden.
Welche Flächen notwendig wären, kann den Regelwerken entnomme werden. In einem Eingangskapitel der ERA der FGSV wird der Raumbedarf Radfahrender erläutert.

Die Fahrradampel

Im Raum Rendsburg gibt es nur wenige Fahrradampeln. Moltkestraße, Wehrautal, Schleswiger Chaussee in Rendsburg und in Büdelsdorf die Konrad-Adenauer-Straße fallen auf Anhieb ein. Wer nach Kiel oder sogar Eckernförde blickt, stellt fest, stellt fest, dass es sie an annähernd jedem Knotenpunkt mit LSA gibt. Wer bis hier hin aufmerksam mitgelesen hat, erkennt, dass es der Regelfall ist, dass es eine richtige Fahrradampel gibt. Hintergrund sind Räumzeiten und KonflikFahrradampeltvermeidung durch durchdachte Schaltung.

Haltelinie

Haltelinien quer zuFahrtrichtung müssen beachtet werden. Das gilt auch an T-Kreuzungen. Deswegen ist es gut, wenn auf der Seite ohne Einmündung keine Haltelinie vorhanden ist. Dann dürfen auf dem Radweg Radfahrende weiterfahren, müssen aber querendem Fussverkehr oder einquerendem Radverkehr Vorrang gewähren.
Kaltelinien längs zur Fahrtrichtung sind ohne Relevanz. Das sei hier erwähnt, weil eine der Rechtsauffassungen bezüglich der zusätzlich in der Hollerstraße installierte Fahrradampel an der Einmündung der Konrad-Adenauer-Straße ist, dass diese für über die Kombi-Ampel querenden Radverkehr unnütz ist.
Dort war nach der Furt quer eine weitere Haltelinie mit kleiner Fahrradampel nachgerüstet worden. Die Situation ist, dass Radverkehr Grün hat und mit aus Büdelsdorf kommend in die Konrad-Adenauer-Straße einbiegendem allgemeinen Fahverkehr in Konflikt gerät. Die Führung des Radverkehs in dem Kreuzungsbereich war in der ursprünglichen Planung sehr viel besser, wurde dann durch Sonderwünsche Beteiligter verschlechtert.

Fazit

Wir stellen fest, dass viele Lichtsignalanlagen nicht optimal gestaltet sind. Und manch ein wahrgenommener Rotlichtverstoß ist gar kein Rotlichtverstoß nach StVO. Wer den Radverkehr fördern will, muss für gerechte und sichere Ampelschaltungen sorgen.


Zuletzt aktualisiert am Sonntag, den 26. Februar 2023 um 22:49 Uhr