In den Umlandgemeinden verschwinden Verkehrszeichen Drucken
Geschrieben von: TF   
Samstag, den 23. Januar 2021 um 19:19 Uhr
(TF) Momentan setzt die Straßenverkehrsbehörde des Kreises anscheinend endlich seit 1998 geltende Regeln um. Die Straßenverkehrs-Ordnung regelt auch, wer wann und wie Verkehrsbeschränkungen vornehmen darf. Vor fast einem Vierteljahrhundert und danach änderte sich viel. Deshalb verschwinden hier und da Verkehrszeichen oder werden ersetzt. Nun  kommen Fragen auf, welche hier beantwortet werden.
Verkehrszeichen 239, 240 und 241 StVO
Das Bild zeigt das Verkehrszeichen 239. Es gibt davon noch zwei Variationen. Das Zeichen 241 StVO mit vertikalem Balken zeigt einen vom Gehweg baulich getrennten benutzungspflichtigen Radweg an. Das Zeichen 240 StVO "gemeinsamer Fuß- und Radweg" sollte nur außerorts zu finden sein. Es hat eine horizontale Trennlinie.
Diese Verkehrszeichen haben seit Oktober 1998 zwei Bedeutungen. An eigenständig geführten Radwegen schließen sie andere Verkehrsarten wie Kleinkrafträder oder zu Fuß Gehende aus. Ist die betreffende Radverkehrsanlage zu einer Straße gehörig, bekommt das Gebotszeichen eine weitere Funktion.
Nach Streichung der allgemeinen Radwegebnutzungspflicht aus der Straßenverkehrs-Ordnung soll das Verkehrszeichen die Ausnahme Radwegebenutzungspflicht anzeigen. "Eine Pflicht, Radwege in der jeweiligen Fahrtrichtung zu benutzen, besteht nur, wenn dies durch Zeichen 237, 240 oder 241 angeordnet ist", heißt es in § 2 IV 2 StVO. Aber das geht vom Idealfall aus, dass wie 1998 vorgesehen nur im Ausnahmefall eine Benutzungspflicht angeordnet wurde. Nur die Straßenverkehrsbehörde ist berechtigt, Verkehrszeichen anzuordnen. Rendsburg hat eine eigene StVB. Für Büdelsdorf und die Umlandgemeinden ist der Kreis zuständig.
Wann darf eine Radwegebenutzungspflicht angeordnet werden?
Hintergrund der Aufhebung der allgemeinen Radwegebutzungspflicht 1997 war, dass das Unfallrisiko auf den üblichen Hochbordradweg höher als auf der Fahrbahn im Mischverkehr ist. Ja, das Radfahren zwischen den Autos ist häufig sicherer als daneben separiert. Das Bundesverwaltungsgericht hatte in einem wegweisenden Urteil 2010 betont, dass nur bei einer "über das normale Maß hinausgehenden Gefahrenlage" eine Radwegebenutzungspflicht angeordnet werden dürfe. Anders ausgedrückt: Radfahren auf einem Radweg muß ausnahmsweise sicherer sein als im Mischverkehr. Die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer hat übrigens generell Vorrang vor der Leichtigkeit des Verkehrsflusses. Und Verkehr sind nicht nur Kraftvfahrzeuge. Eine einseitige Bevorzugung des Kfz-Verkehrs und Verdrängung des Radverkehrs in den gefährlichen Seitenraum soll mit der Rechtslage verhindert werden. Der Verordnungsgeber hat in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 2 Abs. 4 S. 2 StVO Mindeststandards für Radverkehrsanlagen definiert. Auch betont er unter Randnummer 33 dieser Verwaltungsvorschrift, dass es innerorts keine linksseitigen Radwegebenutzungspflichten geben soll: "Die Benutzung von in Fahrtrichtung links angelegten Radwegen in Gegenrichtung ist insbesondere innerhalb geschlossener Ortschaften mit besonderen Gefahren verbunden und soll deshalb grundsätzlich nicht angeordnet werden." In Straßen ohne Ausfahrten und Einmündungen wäre das kein Problem, deshalb ist die Regelung etwas lockerer formuliert, "nicht sollen" statt "nicht dürfen". Das Bundesverwaltungsgericht hatte 2013 für einen Münchener fall festgestellt, dass von den Mindesstandards in begründeten Fällen abgewichen werden könne, hatte aber sehr hohe Hürden gesetzt. Die Ausnahme Radwegebenutzungspflicht kann nach § 45 IX StVO nur mit Gutachten zur Gefahrenlage angeordnet werden. Für den Neubau von Radverkehrsanlagen sind die "Empfehlungen für Radverkehrsanlagen" (ERA 2010) der FGSV verbindlich.
Neben der Mindestbreite und baulichen Mindesstandards spielen auch Stetigkeit und Strassenzugehörigkeit eine Rolle.
Die "blauen Lollies" ordnen an einer Radverkehrsanlage die Benutzungspflicht a, wenn dieser fahrbahnbegleitend, stetig im Verlauf, benutzbar und zumutbar ist. Nicht egal ist, wer eine Radwegebenutzungspflicht angeordnet bzw. die Schilder aufgestellt hat. Tat es der Dorfbürgermeister willkürlich, handelt es sich um Nichtakte. Die dürfen ignioriert werden. Das gilt auch, wenn die Straßenverkehrsbehörde schon die Entfernung angeordnet hat, aber die Gemeinde das nicht umsetzt. Oder wenn ein Urteil des Verwaltungsgerichtes rechtskräftig ist. Nichtakte sind auch jene Verkehrszeichen 239, 240 oder 241 StVO, welche schon vor dem 1. Oktober 1998 dastanden, um die sich aber niemand gekümmert hatte. Das ist für den Kreis Rendsburg-Eckernförde häufig der Fall; die Umdeutung 1998 wurde schlichtweg verpennt, auch nach Hinweisen von betroffenen Verkehrsteilnehmern weiter verschleppt. Ursächlich ist auch ein Schreiben der Landesaufsichtsbehörde der Straßenverkehrsbehörden, des LBV SH vom August 2013, in welchem aufgefordert wurde, die Rechtslage zu ignorieren.
Wenn bei den Akten zur Anordnung der Radwegebenutzungspflicht schwere Ermessensfehler begangen wurden, ist die Anordnung nichtig. Die Verkehrszeichen kommunizieren Allgemeinverfügungen. Eine Allgemeinverfügung ist nach § 44 VwVfG nichtig, wenn ein Laie auf Anhieb schwere Fehler erkennen kann. Die breite eines Radweges kann jeder erkennen, wenn diese bei einem Neubau durchgehend unterschritten ist, kann jeder das erkennen, der mal einen der vielen Zeitungsartikel zum Thema gelesen oder eine TV-Sendung aufmerksam gesehen hatte. Eine Loseblattsammlung ohne Begründung bezüglich der Gefahrenlage ist auch für die Anordnung nicht ausreichend.
Übrigens sind regelmäßige Verkehrsschauen vorgeschrieben. Auch gilt: "Die Straßenverkehrsbehörde, die Straßenbaubehörde sowie die Polizei sind gehalten, bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Radverkehrsanlagen auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu prüfen und den Zustand der Sonderwege zu überwachen." (VwV-StVO zu § 2 Abs. 4 S. 2 Rn. 21) Das bedeutet, dass etwa nach einem radwegetypischen Unfall über die Sinnhaftigkeit der radwegebenutzungspflicht oder Maßnahmen wie Heckenschnitt, rückbau von Werbeschildträgern o.ä. diskutiert werden muß. Wären die an der Unfallaufnahme beteiligten Polizisten entsprechend fortgebildet, könnten sie auf Anhieb schlechte, unfallträchtige Radwege erkennen.
Was gilt auf baulich vorhandenen Radwegen?
Radfahren auf Gehwegen ist verboten. Ist eine Verkehrsfläche als ehemaliger Radweg vom Gehweg bbaulich getrennt, bleibt er ein Radweg. "Rechte Radwege ohne die Zeichen 237, 240 oder 241 dürfen benutzt werden", steht in § 2 IV 3 StVO, für Radwege ohne Verkehrszeichen besteht also ein Benutzungsrecht. Zur Verdeutlichung kann die StVB z.B. Fahrradpiktogramme auf dem Radweg aufbringen lassen.

Zuletzt aktualisiert am Sonntag, den 31. Januar 2021 um 19:17 Uhr