Enges Überholen - Gefährlicher Schrecken für Radfahrende Drucken E-Mail

(TF) Überholen Symbolbild, Auto üüberholt Fahrrad engmit zu geringem Seitenabstand ist gefährlich. Die Wissenschaftsredaktion des WDR hatte sich vor wenigen Wochen des Themas angenommen. Dieses gefährliche enge Überholen kann auch ohne Kontakt zum Sturz führen. "Wenn jemand mit 30 cm Abstand am Radfahrenden vorbeibrettert, fühlt sich der Radfahrende wie bei einer Scheinhinrichtung", meint unser Verkehrsrechtlicher Sprecher Torben Frank, der heute auf einer kurzen Alltagsfahrt wieder mehrere Gefährdungen durch Autofahrende erlebte. wegen der Gefahren durch eng Überholende hat der Verordnungsgeber die Anforderung des Mindestabstandes in § 5 II StVO präzisiert. Was bisher nur nach Gutachten in der regelmäßigen Rechtsprechung zu finden war, ist seit ein paar Monaten konkret mit mindestens 1,5 m innerorts und 2 m außerorts schon in der Straßenverkehrs-Ordnung benannt.

Korrektes Verhalten

Im Regelfall müssen überholwillige Kraftfahrzeugführer eine Lücke im Gegenverkehr abpassen, um überholen zu dürfen. Der Raumbedarf eines Radfahrenden besteht aus seiner eigenen Breite von ca. 0,8 m, dem Scherheitsraum von 0,5 bis 1 m zum Fahrbahnrand bzw. 0,75 bis 1,5 m zu parkenden Autos. Nach Links besteht der Anspruch auf den Sicherheitsraum von mindestens 1,5 m. Bei einer normalen innerörtlichen Fahrbahn von 6 m gehört die rechte Spur dem Radfahrenden. Deswegen müssen Überholwillige die Spur wechseln. Je höher der Geschwindigkeitsunterschied ist, desto größer muß der Seitenabstand sein. Die Werte haben sich in der Rechtsprechung etabliert, sie folgen Gutachten und berücksichtigen Fahrtwind, Sturzrisiko und andere Faktoren.

Rechtfolgen engen Überholens

Neben dem Bußgeld wegen der Ordnungswidrigkeit kann das enge Überholen auch strafrechtliche Folgen für den Gefährder haben. Wenn ein zur Rede gestellter Autofahrender auf einen "Radweg" verweist, ist anzunehmen, dass er mit Vorsatz handelte. Die Rechtslage, wo und wie Radfahrende fahren müssen, ist vielen Autofahrenden unbekannt. Die Vorschrift des § 315b II 2 b) StGB wird leider selten gegen eng überholend Autofahrende angewandt. Beim Abdrängen oder Ausbremsen kommt noch die Nötigung nach § 240 StGB in Betracht. Das Auto wird dabei als gefährlicher Gegenstand wie eine Waffe gewertet, welche eingesetzt wird, um jemanden zu etwas zu drängen.

Radfahrende als Überholende

Wenn Radfahrende untereinander überholen, sollten sie auch Abstand wahren. Ein Radfahrender, der ein Kraftfahrzeug überholt, muß keine 1,5 m wahren, da er weder Fahrtwind noch andere Gefahren erzeugt.
Gegenüber zu Fuß Gehenden gelten auch für Radfahrende die Sorgfahltspflichten gegenüber den Schwächsten Verkehrsteilnehmern. Für die 82-Jährige Seniorin kann der Schreck zum Sturz führen, welche ihr einen Krankenhausaufenthalt bescherrt, welchen sie vielleicht nicht überlebt. Daher sollten Rad- und Fußverkehr innerorts auch nicht vermischt werden.

Überholen ermöglichen?

Langsamere Verkehrsteilnehmer müssen schnelleren die Möglichkeit bieten, sie zu überholen (vgl. § 5 IX StV). Das müssen sie allerdings nur tun, wenn es ihnen zumutbar ist. In eiiner Kommune oder Stadt ist es unnötig, da ohnehin bald abgebogen wird. Auch beim Ausflug über Land muß nicht alle paar Meter angehalten werden (Kettler 49). Im Prinzip genügt es, mal kurz rechts heranzufahren und zu rollen, den Kraftfahrzeugführer mit verminderter Geschwindigkeit passieren zu lassen. "Wenigestens drei Fahrzeuge müssen dafür aufgeschlossen haben" (Kettler 49). Allerdings gebietet es die gegenseitige Rücksichtsnahme, den längere Zeit geduldig einzeln hinterherfahrendem Kraftfahrzeug das Überholen zu ermöglichen, wenn z.B. eine Bushaltestelle es erleichtert.

Weitere Rücksichtslosigkeiten

Eine häufig gezeigte Unsitte ist es, dass Abbiegewillige Kraftfahrzeugführer noch überholen, dann abbiegen. Besonders rücksichtslos ist das, wenn der Kfz-Führer trotz nahendem Gegenverkehr überholt, den Radfahrenden ausbremst, weil die Absicht besteht, links abzubiegen. Eine wenig gefährlichere, aber dennoch rücksichtslose und dazu teilweise verbotene Eigenart ist es, vor der Ampel zu überholen und dann möglichst weit rerchts heranzufahren, damit der Radfahrende nicht von seinem Recht Gebrauch machen kann, rechts zu überholen. Das Verhalten ist sogar bei vorhandenem Radfahr- oder Schutzstreifen mit Fahrradschleuse zu beobachten. Das sind Aufstellflächen vor der Ampel, welche Radfahrenden unter anderem ersparen, in den Emissionen der Kraftfahrzeuge zu stehen. Solche Fahrradschelüsen gibt es in Rendsburg in der Moltkestraße und im Wehrautal. Sogar in diesen Fahrradstraßen ist dieses Verhalten zu beobachten.

Realität im Alltag und Rezeption

Viele Radfahrende dokumentieren ihre Erfahrungen im täglichen Straßenkampf in den Sozialen Medien oder in Blogs. In den Sozialen Medien hat sich der Hastag #motorisierteGewalt etabliert. Dem Straßenkampf widmete die Radfahrerin und Mutter Kerstin E. Finkelstelstein ein Buch, in dem sich zwei Kapitel mit der Situation im Alltag und in der Justiz beschäftigen (Finkelstein 49-66).

Quellen und Literaturhinweise

Kerstin Emma Finkelstein: Strassenkampf. Warum wir eine neue Fahrradpolitik brauchen, Berlin 2020,
Dietmar Kettler: Recht für Radfahrer. Ein Rechtsberater, 3. Aufl., Berlin 2013, 22, 26, 27, 42, 47, 49, 71, 178.
WDR Quarks, Beitrag zum Seitenabstand beim Überholen: https://youtu.be/3NCHngkh64U.

Photo: Aus dem leider reichen Fundus des Autors.
Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 09. Februar 2021 um 17:59 Uhr
 

© ADFC 2010